Mittwoch, 8. April 2015

Verzeihen und Vergeben



Es ist jetzt schon zwei, drei Jahre her, dass ich meiner vermeintlichen Freundin J. viel Geld lieh.

J. und ich kannten uns bereits ein gutes Jahr. Wir hatten viel Kontakt und ich hatte das Gefühl, wir seien gute Freunde. Durch ihre diversen (wie sich später raus stellte, falschen) Erzählungen hatte ich über die Monate viel Mitgefühl für sie entwickelt. Eines Tages sprach sie davon, dass sie aus hierzu unwichtigen Gründen Schulden habe. Ich überlegte eine Weile und hatte ihr dann ein paar Tage später gesagt, dass ich ihr das Geld leihen könne. Wir sprachen ab, dass sie mir das Geld in Raten zurückgeben würde. Gesagt, getan. Ich überwies Ihr die Steine. Ich hatte damals nicht ansatzweise das Gefühl, ich würde das Geld nicht wieder bekommen. Ich war voller Vertrauen.

Ein paar Monate später schaute ich auf mein Konto und sah, dass noch kein Geld von ihr gekommen war. Ich sprach sie darauf an. Um Ausreden war sie aber nie verlegen. So auch diesmal.
Jedenfalls erhielt ich dann kurze Zeit später die ersten 100 Euro. Wahrscheinlich damit ich fürs Erste beruhigt war.
Die Wochen vergingen und wieder das gleiche: Diesmal erhielt ich nach mehreren Ausreden 50 Euro. Von vereinbarten Dauerauftrag keine Spur. Die Ausreden wurden immer besser: Sie verkaufe Ihr Auto bald und könne mir das Geld sofort in einmal geben. Später hätte sie im Lotto gewonnen etc. Der Kontakt war längst nicht mehr wirklich da, geschweige denn wie früher. Mittlerweile war sie zweimal umgezogen. Von Nieukerk nach Duisburg , wo ich noch beim Umzug half, und von dort nach Krefeld. Das hatte sie mir zumindest noch gesagt.


Ich wurde im Laufe der Zeit immer enttäuschter und daraufhin dann auch wütender. Anfangs dachte ich mir noch, ich darf nicht schlecht über sie denken. Ich bekomme das Geld schon. So unterdrückte ich meine Wut, weil ich auch dachte, dass wenn ich sie drauf anspreche, ich mir die Chance mehr verbaue, das Geld wiederzusehen. Wir hatten ja keinen Vertrag abgeschlossen, sodass ich mich hätte sicher fühlen können.
Nachdem sie sämtlichen Kontakt versuchte abzukappen, wurde es selbst mir zu viel. Auf meine SMS reagierte sie ohnehin schon länger nicht mehr, Anrufe nahm sie nicht an und auch im Facebook kaum noch Reaktionen.

Mir wurde klar, dass ich so einfach nicht an mein Geld käme. Immerhin standen noch viel mehr Euronen offen als ich bisher wieder bekommen hatte. Der nette und gutmütige Freund in mir war mit seinem Latein am Ende. Mittlerweile hatte ich auch schon diverse Nachrichten geschrieben, in denen ich meiner Wut etwas Luft machte - immer noch freundlich. Immerhin wollte ich mein Geld ja sehen. Da bringt verärgern wenig, dachte ich mir.

Aber all das hatte keinen Sinn! Es war zwecklos. J. glaubte ihre Geschichten wahrscheinlich wirklich auch selbst. Sie log ja auch ihre neuen Kolleginnen an, wie sich heraus stellte.

Ich sah also nur noch eine Chance: Ich kämpfe.
Davon abgesehen, dass ich mein Geld wieder haben wollte, war da ja noch viel mehr.
Ich war menschlich sehr verletzt und mehr als enttäuscht. Ich hatte mein blindes Vertrauen geschenkt und das war der Dank? Ich machte nicht nur ihr Vorwürfe wie verlogen und skrupellos sie war und mich ausnutzte, sondern besonders warf ich auch mir selbst vor, wie dumm und naiv ich an die Sache rangegangen war. Dass ich keinen Vertrag aufgesetzt oder wenigstens irgendetwas schriftlich festgehalten hatte.

Aus Enttäuschung und Wut war mittlerweile erst Zorn und dann Hass geworden. Diese Aggressionen gepaart mit anderen Problemen, die ich gleichzeitig hatte, waren sicherlich auch Grund für meine Nackenprobleme, die ich noch heute in abgeschwächter Form habe.

Ich war jetzt also bereit zu kämpfen. Und so kontaktierte ich meinen lieben Cousin. Er hat Jura studiert und konnte mir gute Ratschläge geben. Wir besprachen, wie ich vorzugehen hatte. Ich kam mir vor wie in einem Film. Er setzte mir ein Schreiben auf, um J. zu informieren. Ich schrieb J. vorab, dass ich nun bereit war, sie vor Gericht zu ziehen und dass dabei weitaus mehr Kosten für sie entstünden, als nur der noch offene Leihbetrag. Ich besorgte mir sogar von der Stadt Krefeld ihre neue Adresse, um ihr den Brief zustellen zu können. Kurz danach kam eine SMS, dass sie mir das Geld komplett überweisen würde. Und dies geschah dann wirklich. Ziemlich schnell sogar, wenn man bedenkt, wie sehr sie sich zuvor davor gesträubt hatte. Dank der Hilfe meines Cousins bekam ich also endlich – 1-2 Jahre nachdem ich es verliehen hatte - meine gesamten Kohlen wieder.

Ich war deutlich erleichtert. Mir fiel eine riesige Last ab und ich konnte das Kapitel „Geld eintreiben“ -  was mich wirklich sehr belastete - endlich abhaken. Denn in den Monaten davor versuchte ich immer wieder mir gutzureden, dass das schon klappt und so unterdrückte ich aber weiter die Wut und alle anderen Gefühle, die ich nicht zulassen wollte. Aber sie waren da und stauten sich immer weiter auf.

Was aber geblieben, obwohl ich mein Geld wieder hatte, waren der Schmerz und der Hass.
Monate und sogar Jahre trug ich es mit mir herum.

Und vorgestern dann, als ich nachts in meinem Bett lag und für mich die Ruhe der Meditation fand, wurde es mir klar: Ich werde diese Aggressionen, diese negativen Gefühle wie Enttäuschung, Wut, Zorn und Hass niemals richtig los, wenn ich sie weiter aufrecht erhalte. Die einzige Chance ist, sie loszulassen. Und das kann ich nur, indem ich J. und vor allem aber auch mir verzeihe und vergebe.
Die Vorwürfe Ihr und mir gegenüber stammen aus der Vergangenheit, aber ich hielt sie noch immer aufrecht, indem ich sie noch immer mit mir „rumschleppte“.

Ich kann aber J. nichts vorwerfen. Jeder Mensch hat seine Probleme, wurde anders erzogen, macht seine eigenen Erfahrungen. Und so wusste J. sich vielleicht nicht besser zu helfen - all die Jahre - als sich auf diese Weise zu verhalten. Ich war leider nicht der Einzige, den sie so behandelt hatte. Aber vielleicht und hoffentlich sogar wird auch J. irgendwann bemerken, dass der Weg, den sie dort geht, nicht der richtige ist. Das ist aber nicht mehr mein Problem.

Ich begriff in dieser vorletzten Nacht, dass ich auch mir nicht vorwerfen muss, dass ich so stark vertraue. Es ist keine Schwäche, sondern vielmehr eine Fähigkeit, eine Gabe, so blind vertrauen zu können.

Ich habe vielleicht den Fehler gemacht, zu schnell zu vertrauen oder auch einfach nur mich nicht vertraglich abzusichern. Jeder Mensch macht Fehler. Daran kann er wachsen, sofern er sich denn reflektieren kann. Ich habe meine Lehre aus dem Fehler gezogen und werde in Zukunft vorsichtiger sein. Mein großes Vertrauen in das Gute in jedem von uns Menschen behalte ich aber weiterhin! So bin ich einfach! Und das lasse ich mir nicht nehmen. Ich träume eben von einer guten und schönen Welt! Und den Traum werde ich immer träumen.

Doch das ist noch immer nicht alles. Durch eben genau diese Gedanken bin ich nun endlich dazu bereit, J. und mir das Ganze zu verzeihen und zu vergeben. Ich hatte immer das Gefühl, sie müsse sich dafür doch mal entschuldigen und einsehen, dass sie Fehler gemacht hat und sich schuldig fühlen. Da sie es nicht tat, wurde ich wiederum wütender. Ein Teufelskreis! Denn auf J.s Einsicht konnte ich vergebens warten.

Es liegt also immer nur an einem selbst.
Denn jemandem zu verzeihen und zu vergeben bedeutet nicht, dass man die andere Person unbestraft davon kommen lässt. Es bedeutet nicht, dass man jemandem etwas nachsieht, ohne dass er davon weiß, ohne dass er sich schuldig fühlt (was er doch verdammt nochmal tun sollte!;)

Es bedeutet vielmehr, dass man sich selbst von Lasten befreit, die man schon viel zu lange mit sich herum getragen hat. Und diese Lasten sind keine Lasten, die man für den anderen trägt.
Ich habe mir diese Last selbst auferlegt. Ich machte die Vorwürfe und habe die unerfüllten Erwartungen gehabt. Mich hat keiner darum gebeten, dies zu tun. Also liegt es doch auch an mir, diese Last von mir abzuwerfen und mich davon zu befreien.

Und dies gelingt mir eben nur, wenn ich die Sache loslasse, indem ich J. und mir verzeihe und vergebe.


In diesem Sinne
Huylle

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen